Längenbegrenzungen in der Übersetzung

Wissenswertes

Es kommt auf die Größe an… Wenn Sie jetzt rot werden, haben Sie sich eventuell im Blog vertan oder die Überschrift nicht gelesen. Kurz durchatmen. Mit den Gedanken wieder beim Text? Prima. Die meisten Übersetzer, außer vielleicht Englisch-Türkisch-Übersetzer oder solche mit Zielsprache Arabisch (eine Konsonantenschrift, mehr dazu hier), werden im Laufe ihrer Arbeit schon bemerkt haben, dass ihre Arbeitssprachen unterschiedlich lang laufen d. h. ein Text in der Ausgangssprache und in der Übersetzung unterschiedlich lang sind. Das hat einerseits damit zu tun, dass manche Sprachen mehr Wörter benötigen, um etwas auszudrücken, oder aber die Wörter länger sind. Wenn man Pech hat, trifft beides gleichzeitig zu. In der Sprachkombination, in der ich am häufigsten arbeite – Englisch-Deutsch – ist der übersetzte deutsche Text oft um 20 Prozent länger als das englische Original. Dabei neige ich nicht unbedingt dazu, sehr ausschweifend zu übersetzen. Im speziellen Fall des Deutschen liegt eine der Ursachen darin, dass die deutschen Wörter meist erheblich länger sind als ihre Pendants.

Bis hierhin und nicht weiter


Die eben beschriebene Expansion der Textlänge wird dann zum Problem, wenn es um Texte für Websites, bestimmte Druckmedien oder Software geht. In diesen Bereichen gibt der Kunde häufig Vorgaben für die Textlänge, die allgemein oder aber nur für bestimmte Teile des Textes gelten. Die Gründe hierfür sind technischer Natur (etwa bei Maschinensoftware) oder berühren Layoutvorgaben bzw. -einschränkungen (bei Websites und Druckmedien). Ein Korsett, das dem Übersetzer manchmal nur wenig Raum zum Atmen lässt.

Viele Maschinen sind zum Beispiel mit kleinen, mehrzeiligen Displays ausgestattet, in die pro Zeile oft nur 3 oder 4 Wörter passen. Sofern keine Scrollfunktion vorgesehen ist, muss der Text vollständig in die verfügbaren, direkt sichtbaren Zeilen passen. Ist der Text länger wird er entweder abgeschnitten (“Ausrichtu…”) oder erst gar nicht von der Software akzeptiert. Ein ähnliches Problem tritt bei Software-Schaltflächen auf. Oft kann die Größe der Schaltflächen (Buttons) in einer Software nicht verändert werden, vielmehr muss sich der Text anpassen. Bei Broschüren, Katalogen usw. können die maximale Seitenzahl und das Platzangebot aufgrund der Druckkosten bzw. aus Gründen des Gesamtlayouts beschränkt sein. Was aber, wenn der übersetzte Text nicht in die verfügbaren, nicht mehr erweiterbaren Textrahmen passt oder die Seite anderweitig sprengt? Auf Websites wiederum dürfen Überschriften bisweilen nicht länger als 1 bis 2 Zeilen lang sein. Ähnliches gilt für Unterüberschriften, Teaser und sonstige Textbestandteile. Auch der Länge der URL für sind unter Umständen Grenzen gesetzt (die maximale URL-Länge im Internet Explorer beträgt bspw. 2.083 Zeichen).

Doch welche Optionen hat man als Übersetzer, einen Text wirkungsvoll einzukürzen? Grob gesagt sind es zwei: das Einkürzen auf Satzebene und das Einkürzen auf Wortebene. Welche der beiden Varianten man einsetzt, hängt sehr stark von der Textsorte bzw. dem oben beschriebenen Einsatzfeld des Textes ab (Website, Druckmedium, Software).

Abkürzung auf Wortebene


Bei Softwaretexten, insbesondere bei Maschinensteuerungen, kommt oft die Kürzung auf Wortebene zum Einsatz. Wörter werden mit Punkt abgekürzt oder durch ein Akronym ersetzt. In beiden Fällen läuft man Gefahr, ein von der Länge passendes, aber unverständliches Kauderwelsch zu produzieren. So ist es teils schwierig, passende Abkürzungen zu finden, die später vom Benutzer des Textes auch verstanden werden. Keine Probleme machen gängige Abkürzungen wie „St.“ (für Stück), „Min.“ (für Minute) oder „Anz.“ (für Anzahl) oder Akronyme wie „DC“ (für Gleichstrom, engl. direct current) oder „SPS“ (für Speicherprogrammierbare Steuerung; hier ist eine kürzere Version wirklich bitter nötig). Bei „Stdabw.“ (so in der Praxis gesehen) kommt der ein oder andere aber wohl ins Schwitzen, da der Weg zu „Standardabweichung“ doch ein wenig weiter ist. Kritisch wird es, wenn der Abkürzungspunkt direkt nach dem ersten Buchstaben kommt („P.“ für Punkt, Präzision oder Potential?) oder eine Abkürzung gewählt wird, die es bereits anderweitig gibt. Einmal ist mir „m“ begegnet. Auf den ersten Blick erwarte ich hier die ISO-Einheit „Meter“, gemeint war aber tatsächlich „Minute“.

Abkürzung auf Satzebene


Bei Texten, die sich trotz Längenbegrenzung auch noch gut anhören sollen, wie etwa Broschüren oder Websites, ist die Kürzung auf Satzebene gefragt. Zwar ist die Verwendung von Abkürzungen und Akronymen hier nicht verboten, sollte sich aber auf diejenigen beschränken, die entweder allgemein üblich („z. B.“, „bzw.“, „UNO“, „ISO“ usw.) oder firmen-/branchentypisch („ECU“, „ESP“ oder „KBA“ in der Autobranche) sind. Alles andere erschwert den Lesefluss und sieht dazu noch bescheiden aus. Es ergeben sich folgende Optionen (hier nur eine Auswahl):

Substantiv vs. Verb


Der erste Schritt, um die Länge auf Satzebene zu verringern, muss für den Übersetzer immer zuerst das Umformulieren sein. Hierzu kann ein zunächst substantivisch gehaltener Satz verbal ausgedrückt werden. Das spart nicht nur Raum, sondern trägt auch noch zu einem besseren Lesefluss bei. Ein Beispiel: Substantivisch: „Die Supergut GmbH schmälert die Gewinnerwartungen für das kommende Jahr.“ Verbal: „Die Supergut GmbH erwartet für das kommende Jahr geringere Gewinne.“ Zu viel darf man sich von dieser Methode aber nicht erwarten, da es stark darauf ankommt, wie viele Substantive aufgelöst werden können. In diesem Fall, mit einem einzelnen aufgelösten Substantiv, spart man immerhin 5 Zeichen.

Satzbau


Die zweite Möglichkeit besteht darin, den Satzbau an sich zu ändern bzw. Nebensätze aufzulösen. Beispiele: Ausgangssatz: „Das Gerät besticht durch seine Benutzerfreundlichkeit und kommt ohne Einbußen bei der Sicherheit aus.“ Variante A: „Das benutzerfreundliche Gerät kommt ohne Einbußen bei der Sicherheit aus.“ Variante B: „Das Gerät besticht durch seine Benutzerfreundlichkeit – ohne Einbußen bei der Sicherheit.“ Natürlich wird diese Möglichkeit je nach Textsorte bzw. konkreter Textstelle nicht immer umsetzbar sein, dennoch sollte man sie als Übersetzer in Betracht ziehen. Bei unseren Beispielen sparen wir respektable 28 bzw. 12 Zeichen.

Wenn es brennt: Bestandteile weglassen


Trotz all dieser Varianten gibt es Fälle, bei denen ich als Übersetzer an Grenzen stoße. Wenn wirklich nichts mehr geht, muss ausgemistet werden. Die ersten Opfer gibt es bei den Füllwörtern und ausschmückenden Adjektiven. Wenn es dann immer noch nicht reicht, um die vorgegebene Länge zu erreichen, muss eine Entscheidung her. Was ist wichtig, was kann weg? Als Übersetzer hat man nur selten die Möglichkeit, diese Entscheidung selbst zu treffen. Welche Aussage des Ausgangstextes ist für den Autor bzw. den Kunden so wichtig, dass sie nicht unter den Tisch fallen darf? Oftmals ist das nicht unbedingt der Teil, den man als Dritter weggelassen hätte. Hier gilt es: den Kunden einbeziehen.

Letztendlich gibt es eine Reihe von Mitteln, einen Text kürzer zu machen. Doch sind stets die Aussage des Textes, die Textsorte, die Verständlichkeit und der Wunsch des Kunden im Auge zu behalten.


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